Ian McEwan, Kindeswohl

An einem Sonntagabend im Juni wird die geordnete Welt von Fiona Maye zweifach aus dem Gleichgewicht gebracht. Jack, ihr Mann, möchte ihre Zustimmung zu einer ausserehlichen Affäre. Aufgewühlt versucht Fiona, die als angesehene Familienrichterin am High Court in London tätig ist, sich auf die Ueberarbeitung eines Urteils zu konzentrieren, als vom Gericht ein Anruf kommt. Ein Krankenhaus benötigt dringend eine richterliche Verfügung für eine Bluttransfusion. Der Leukämiepatient Adam ist erst 17-jährig, und seine Eltern, Zeugen Jehovas, lehnen die lebensrettende Behandlung strikt ab. Lieber nehmen sie den Tod ihres Sohnes in Kauf, als gegen die Regeln ihrer Religion zu verstossen. Fiona prüft gewissenhaft die Argumente beider Seiten, wägt rational ab und beschliesst, den Jungen selbst anzuhören. Die Begegnung löst in beiden unerwartete Emotionen aus.

Die äusserst bereichernde Lektüre dieses schmalen Romanes, der schlicht und klar daherkommt – kein Wort ist zuviel und jedes am richtigen Platz – löst Denkprozesse und Fragen aus, die lange nachhallen.

Diogenes, 978-3-257-06916-7
Diogenes Taschenbuch, 978-3-257-24377-2, ab Ende August 2016